Im wissenschaftlichen Teil der Veranstaltung stellten hochkarätige Referenten aus den Perspektiven der Finanzwissenschaft, der Unternehmen, der Steuerberatung und der Rechtsprechung die wesentlichen Reformerfordernisse und – unter dem Eindruck der aktuellen Finanzsituation der Haushalte des Bundes, der Länder und Kommunen – die noch bestehenden Möglichkeiten der Veränderung dar.
Herr Prof. Dr. Clemens Fuest, Professor für Unternehmensbesteuerung in Oxford und Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirates des Bundesfinanzministeriums, referierte zur Steuerreform und der Lage der Staatsfinanzen mit dem finanzpolitischen Fazit einer hohen Wahrscheinlichkeit von Steuererhöhungen, die jedoch nicht zu einer Vernachlässigung des Reformbedarfs im deutschen Steuersystem führen dürften. Unter dem Aspekt der Wachstumsförderung, so sein Fazit, müsse die Reform der Unternehmensbesteuerung höchste Priorität genießen.
Aus der Perspektive der Wirtschaft erarbeitete Alfons Kühn, Bereichsleiter Steuern des DIHK, eine praxisnahe punktuelle Analyse der jüngeren Steuerrechtsänderungen aus Sicht der Wirtschaft und leitete daraus Reformerfordernisse her.
Als Vertreter der steuerberatenden Berufe stellte Herr Prof. Dr. Detlev Piltz, Vorsitzender des Fachinstituts der Steuerberater, die Rechtsunsicherheit in der Steuerberatung in den Mittelpunkt, die insbesondere – so der Praktiker – mit einer vorbeugenden Vertragsgestaltung durch entsprechende, qualifizierte Steuerklauseln reduziert werden könne.
Eine besondere Ehre für den Bundesverband war die Teilnahme des Präsidenten des Bundesfinanzhofs, Herr Dr. h.c. Wolfgang Spindler. Er sprach allen drei Staatsgewalten die Verantwortung für die Kompliziertheit und Rechtsunsicherheit im Steuerrecht zu und rief dazu auf, dringend das geltende Steuerrecht zu durchforsten und zu entrümpeln. Dies hält Dr. h.c. Spindler für realistischer, als das Verlangen nach einer vollständigen Systemreform, da für letztere die erforderliche Reformkraft in Deutschland fraglich sei. Die Verbesserung der Besteuerungsmoral würde nach Auffassung von Herrn Dr. h.c. Spindler gleichzeitig zu einer Verbesserung der Steuerzahlungsmoral führen. Zudem seien Bestrebungen notwendig, den in Deutschland existierenden Steuerspartrieb und die Verliebtheit zur Steuerverkürzung zu beenden.
In einer anschließenden Podiumsdiskussion wurden unter weiterer Beteiligung von Herrn MD Dr. Albert Peters, Leiter der Steuerabteilung des BMF, und Herrn Prof. Dr. Norbert Herzig, Direktor des Steuerseminars der Universität Köln, mit dem Auditorium insbesondere die Fragen der Steuermoral in Deutschland und den anderen EU-Ländern, Möglichkeiten der Ausgabenreduzierung und Einnahmenverbesserung sowie die Folgen der Griechenlandkrise diskutiert. Fazit dieser Diskussion: Hier besteht in den einzelnen Ländern erheblicher Aufholbedarf.
Insgesamt kann als Ergebnis der Expertenrunde festgehalten werden, dass derzeit ein wesentlicher Raum für umfassende Steuersenkungen nicht besteht, dass aber punktuelle Änderungen des Steuersystems aufkommensneutral sehr wohl möglich sind. Die Bemühungen des BMF, einen Katalog solcher Maßnahmen zu erarbeiten und dabei auch die Administrierbarkeit zu berücksichtigen, wurden sehr begrüßt. Als Anregung wurde vorgeschlagen, auch die gerichtliche Erfahrung zu berücksichtigen und damit den Katalog um besonders streitanfällige Normen zu ergänzen. Ziel muss es sein, die Gerechtigkeit der Besteuerung durch Abbau von Verwerfungen zu vergrößern. Hierfür wird der Bundesverband der Steuerberater sich im Rahmen seines Einflussbereiches einsetzen.