02. März 2010
Steuer CD: Leitfaden zur Selbstanzeige (Info 2/10)
Bei einer Steuerhinterziehung oder Steuerverkürzung besteht mit der Selbstanzeige nach § 371 AO eine strafrechtliche Besonderheit, die es ermöglicht unter bestimmten Voraussetzungen, die Strafbarkeit einer vollendeten Steuerhinterziehung rückwirkend zu beseitigen.

 

Durch eine wirksame Selbstanzeige und die fristgerechte Nachzahlung der hinterzogenen Steuern kann sich der Steuerpflichtige die Straffreiheit – praktisch – erkaufen. Allerdings sind einige Regeln bei der Abgabe einer Selbstanzeige zu beachten, damit diese ihre gewünschte Wirkung entfaltet und nicht zum „Eigentor“ wird. Schlecht vorbereitet kann eine Selbstanzeige mehr Probleme schaffen, als sie löst. 

 

1. Anwendungsbereich – Für welche Steuerstraftaten ist eine Selbstanzeige möglich?

Gesetzlich geregelt ist die Selbstanzeige in § 371 AO. Eine strafbefreiende Selbstanzeige ist  in Fällen der vorsätzlichen Steuerhinterziehung nach § 370 AO möglich, nicht hingegen bei anderen Steuerstraftaten, wie z.B. der Steuerhehlerei § 374 AO.Die unberechtigte Inanspruchnahme der Eigenheimzulage fällt nicht unter den Tatbestand der Steuerhinterziehung, sondern stellt ein Betrugsdelikt dar. Eine Selbstanzeige für die Eigenheimzulage ist daher nicht möglich.

2. Welche Angaben muss eine Selbstanzeige enthalten?

Die Selbstanzeige muss eine Punktlandung sein. Aus Unkenntnis und Zeitdruck – weil sich der Betriebsprüfer angekündigt hat oder das Finanzamt ein bisher nicht offen gelegtes Bankkonto durch Kontenabfragen gefunden hat und um Aufklärung bittet – wird oft ein Schreiben mit der allgemeinen Ankündigung losgeschickt, dass in Kürze weitere Informationen zu einem bestimmten kurz angerissenen oder dargestellten Thema folgen. Dies ist nicht ausreichend und führt vielmehr zu dem gefürchteten Eigentor. Dem Finanzamt ist damit ein steuerstrafrechtlicher Sachverhalt bekannt. Es nimmt Ermittlungen auf und schaltet die Steuerfahndung ein, welche sogleich ein Strafverfahren einleitet. Damit kann die strafbefreiende Wirkung mit der späteren Selbstanzeige nicht mehr erreicht werden, da ein so genannter Sperrtatbestand als Ausschlussgrund (siehe unten 6.) vorliegt.

Eine Selbstanzeige ist wirksam, wenn das Finanzamt aufgrund der Angaben in der Lage ist, die Steuern nachträglich durch geänderten Steuerbescheid zu erheben und eine bereits erfolgte Veranlagung zu berichtigen:

Die Selbstanzeige muss daher möglichst klare und vollständige Angaben über die Besteuerungsgrundlagen, z.B. die bisher nicht erklärten Zinsen oder Betriebseinnahmen, aufgeschlüsselt nach Veranlagungszeiträumen enthalten. Ferner sollte bedacht werden, ob etwaige private Veräußerungsgeschäfte nach § 23 EStG a.F. getätigt wurden. Bei Kapitalanlagen in Fonds ist ferner zu prüfen, ob eine „Strafbesteuerung“ nach dem Investmentsteuergesetz Anwendung findet. Die steuerliche Beurteilung der nacherklärten Sachverhalte erfolgt durch das Finanzamt.

Soweit vorhanden, sollten die entsprechenden Belege und Nachweise beigefügt werden. Möglich ist es jedoch auch, diese unter Fristankündigung nachzureichen.

Die Selbstanzeige muss vom Steuerpflichtigen oder von seinem dazu bevollmächtigten Steuerberater / Rechtsanwalt unterzeichnet sein.

In den Fällen, in denen die genauen Besteuerungsgrundlagen nicht angegeben werden können, weil kein Zahlenmaterial vorhanden ist, Unterlagen fehlen oder Zeitmangel – z.B. aufgrund einer bevorstehenden Betriebsprüfung – herrscht, kann eine wirksame Selbstanzeige wie folgt abgegeben werden. Zunächst kann eine begründete Schätzung der Besteuerungsgrundlagen aufgeschlüsselt nach Veranlagungszeiträumen abgegeben werden. Diese Schätzung sollte nicht zu niedrig sein, da nur in ihrem Umfang Straffreiheit eintreten kann. Später können die Werte unter Vorlage der Unterlagen - notfalls auch im Einspruchsverfahren – nach unten korrigiert werden. Nach oben kann eine straffreie Korrektur nur bis ca. 10% der erklärten Werte erfolgen.

3. Welche Form ist zu beachten?

Eine besondere Form ist für die Selbstanzeige nicht vorgeschrieben. Sie kann schriftlich, mündlich, fernmündlich oder zu Protokoll des Finanzamtes abgegeben werden. Aus Beweisgründen empfiehlt sich jedoch die Schriftform. Es ist nicht erforderlich, dass die Anzeige als „Selbstanzeige“ bezeichnet wird. Auch Ausführungen zu den Beweggründen der Steuerhinterziehung sind überflüssig und fehl am Platz. Es empfiehlt sich, die Selbstanzeige wie eine normale Berichtigungserklärung aussehen zu lassen. So kann bei Vorliegen eines Ausschlussgrundes ein Schuldeingeständnis durch die Anzeige selbst vermieden werden. Ferner soll das Finanzamt Selbstanzeigen, die als solche bezeichnet oder erkennbar sind, der Straf- und Bußgeldsachenstelle in Kopie weiterleiten.

4. Wo ist die Selbstanzeige abzugeben?

Die Selbstanzeige muss bei der für die entsprechende Veranlagung örtlich und sachlich zuständigen Behörde abgegeben werden, z.B. beim zuständigen Finanzamt. Geht die Selbstanzeige bei einer unzuständigen Behörde ein (unzuständig ist z.B. die Polizei), tritt Straffreiheit nur ein, wenn sie rechtzeitig – vor Eingreifen eines Ausschlussgrundes – an die zuständige Behörde weitergeleitet wird. Sinnvoll ist ein Nachweis für den Eingang bei der Behörde, z.B. durch Zeugen beim persönlichen Einwurf in den Hausbriefkasten oder durch ein Einschreiben beim Postversand.

5. Für welche Veranlagungszeiträume ist eine Selbstanzeige abzugeben?

Bei Steuerstrafverfahren ist zwischen dem Besteuerungsverfahren (steuerliche Seite) und dem Strafverfahren (strafrechtliche Seite) zu unterscheiden. Die Wirkung der Selbstanzeige beschränkt sich auf die „strafrechtliche Seite“ einer Steuerstraftat. Von der Nachzahlung der hinterzogenen Steuern – der steuerlichen Seite – befreit sie nicht. Insoweit ist auf die strafrechtliche Verjährung zu achten, die fünf Jahre (in besonders schweren Fällen der Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 3 AO zehn Jahre) beträgt und mit Bekanntgabe des falschen Steuerbescheides beginnt. Nur für diesen Zeitraum ist die Abgabe einer Selbstanzeige sinnvoll. Wird auch für ältere Jahre eine Selbstanzeige abgegeben, kann dies ein „Geschenk“ an die Finanzverwaltung sein. Im  Besteuerungsverfahren, der „steuerlichen Seite“, beträgt die Verjährung bei Steuerstraftaten zehn Jahre. Die Steuern müssen - nach entsprechender Festsetzung -  für diesen Zeitraum nachgezahlt werden. Einen Nutzen hat die Selbstanzeige für strafrechtlich verjährte Veranlagungszeiträume nicht, da eine Strafbarkeit aufgrund der Verjährung nicht mehr besteht.

6. Ausschlussgründe – Wann wirkt eine Selbstanzeige nicht strafbefreiend?

In einigen  Fällen ist die Möglichkeit der strafbefreienden Selbstanzeige ausgeschlossen. Die Straffreiheit tritt dann nicht ein. Es gibt drei Tatbestände, die diese „Sperrwirkung“ hervorrufen. Konkret ist ein Sperrgrund eingetreten, wenn vor Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung der Selbstanzeige einer der folgenden Tatbestände erfüllt ist:

  • Das Erscheinen eines Amtsträgers der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung – z. B. Steuerfahndung oder Betriebsprüfung. Die bloße Ankündigung einer Prüfung, z.B. durch Übersendung der Prüfungsanordnung, löst die Sperrwirkung noch nicht aus.  Die Sperrwirkung tritt erst ein, wenn der Prüfer zur Prüfung erschienen ist, dass heißt wörtlich gesprochen: „auf der Fußmatte steht“. Jedoch sind nur die geprüften Steuerarten und Veranlagungszeiträume gesperrt. Auch ist nach Beendigung der Prüfung eine Selbstanzeige wieder möglich.
  • Die Bekantgabe der Einleitung eines Straf- und Bußgeldverfahrens gegenüber dem Täter oder seinem Bevollmächtigten.
  • Die Entdeckung der Tat im Zeitpunkt der Berichtigung und Kenntnis des Täters von der Entdeckung bzw. dessen vorwerfbare Nichtkenntnis. Die Tat muss nicht unbedingt von einem Amtsträger entdeckt sein, jede „andere Person“ als der Täter und dessen Vertrauenspersonen reicht aus. Der reine Verdacht genügt jedoch nicht. Es muss eine Konkretisierung dergestalt vorliegen, dass bei vorläufiger Bewertung mit einer Verurteilung wegen Steuerhinterziehung zu rechnen ist. 

 

7. Fristgerechte Steuernachzahlung erforderlich!

Straffreiheit tritt durch die Selbstanzeige grundsätzlich nur dann ein, wenn die hinterzogenen Steuern durch den Tatbeteiligten, zu dessen Gunsten sie hinterzogen wurden, binnen der vom Strafsachen-Finanzamt gesetzten Frist nachentrichtet werden. Die Nachzahlung kann auch durch einen Mittäter, Gehilfen oder Unbeteiligten erfolgen.

Fehlen von Anfang an die erforderlichen finanziellen Mittel, ist die Selbstanzeige zunächst „erfolglos“, da die beabsichtigte Straffreiheit nicht eintritt. Die Selbstanzeige kann aber dennoch sinnvoll sein, da sie bei der Strafzumessung strafmildernd berücksichtigt wird.

8. Schreckmoment - Bekanntgabe der Einleitung eines Steuerstrafverfahrens!

Nach der Abgabe einer Selbstanzeige informiert das Finanzamt üblicherweise das Strafsachenfinanzamt. Das Strafsachenfinanzamt leitet dann regelmäßig „pro forma“ ein Steuerstrafverfahren ein. Die Einleitung wird dem Steuerpflichtigen – häufig an einem Samstag, an dem er seinen Berater nicht erreicht – bekannt gegeben. Der Steuerpflichtige hat so ein ziemlich unruhiges Wochenende und befürchtet „alles ist schief gegangen“.  Diese Befürchtung ist jedoch i. d. R. grundlos. Die Einleitung eines Strafverfahrens nach Abgabe einer Selbstanzeige geschieht, um das Nachschieben weiterer Selbstanzeigen in dieser Angelegenheit zu unterbinden und die Zahlungsfrist zu überwachen. Ferner, um zu überprüfen, ob schon Ausschlussgründe vor Eingang der Selbstanzeige vorlagen. Es handelt sich um eine Formalität im normalen Ablauf eines Selbstanzeigeverfahrens.

9. Selbstanzeige bei leichtfertiger Steuerverkürzung

Handelt der Steuerpflichtige bei der Steuerhinterziehung nicht vorsätzlich, sondern leichtfertig, d. h. nicht mit Wissen und Wollen der Hinterziehung, sondern lediglich unter Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt, begeht er eine Ordnungswidrigkeit, § 378 AO. Statt einer Strafe kann hier eine Geldbuße festgesetzt werden.  Die Geldbuße wird jedoch bei wirksamer Selbstanzeige nach § 378 Abs. 3 AO nicht erhoben. An eine Selbstanzeige wegen einer Steuerordnungswidrigkeit werden nicht so hohe Anforderungen gestellt.  Die Selbstanzeige wegen einer Steuerordnungswidrigkeit kann noch abgegeben werden, wenn der Betriebsprüfer erschienen ist und die Tat entdeckt hat. Einziger Ausschlussgrund ist die Bekanntgabe der Einleitung eines Steuerstrafverfahrens. Es kann daher unter Umständen sinnvoll sein, auch während einer schon laufenden Betriebsprüfung noch eine Selbstanzeige abzugeben, wenn die Tat auch als leichtfertige Steuerverkürzung gewertet werden kann.  Unter Umständen kann die Geldbuße so vermieden werden.

10. Folgen der wirksamen Selbstanzeige

Eine wirksame Selbstanzeige bewirkt die Straffreiheit des Anzeigenden bezüglich der angezeigten Steuerhinterziehung bzw. Bußgeldfreiheit bezüglich der angezeigten leichtfertigen Steuerverkürzung. Über § 371 Abs. 4 AO wirkt die Selbstanzeige eines zur Berichtigung nach § 153 AO Verpflichteten, z.B. eines Erben oder gesetzlichen Vertreters, als so genannte „Fremdanzeige“, auch zugunsten  des Steuerpflichtigen. Im Übrigen kommt die Straffreiheit jedoch grundsätzlich nur dem Anzeigenden selbst zugute. Gibt z.B. ein Gesellschafter einer Mitunternehmerschaft ohne Bevollmächtigung der anderen Gesellschafter eine Selbstanzeige ab, wird nur er straffrei. Den anderen Gesellschaftern ist die Möglichkeit der Selbstanzeige durch den Ausschlussgrund der Tatentdeckung verbaut.

Steuerliche Folgen werden durch die Selbstanzeige nicht berührt. Die Steuern sind nachzuzahlen. Auf die hinterzogenen Steuern werden darüber hinaus Hinterziehungszinsen in Höhe von 0,5% des hinterzogenen Betrages für jeden vollen Monat des Hinterziehungszeitraumes erhoben.

Die Zulässigkeit berufsrechtlicher Maßnahmen oder gewerberechtlicher Aufsichtsmaßnahmen bleibt durch die Selbstanzeige ebenso unberührt, wie die strafrechtliche Verfolgung wegen solcher Delikte, die keine Steuerhinziehung darstellen.

Bevor die „goldene Brücke“ der Selbstanzeige in die Straffreiheit beschritten wird, sollte – um nicht „ins Wasser zu fallen“ unbedingt eine fachliche Beratung in Anspruch genommen werden. Jeder Fall ist anders gelagert und birgt seine Besonderheiten, den Rechnung getragen werden muss. Werden die „Spielregeln“ beachtet, kann die Selbstanzeige sowohl bei den sog. Bankenverfahren als auch im Vorfeld einer Betriebsprüfung den Weg für die Straffreiheit ebnen.