Herrn
Dr. Michael Meister
Parlamentarischer Staatssekretär des Bundesministeriums der Finanzen
Herrn
Johannes Geismann
Staatssekretär des Bundesministeriums der Finanzen
Herrn
Ministerialdirektor Michael Sell
Leiter Steuerabteilung im Bundesministerium der Finanzen
Wilhelmstraße 97
10117 Berlin
Vorab per Telefax 03018 - 682 - 3260
Herrn
Dr. Rüdiger Messal
Staatssekretär des Finanzministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen
Jägerhofstraße 6
40479 Düsseldorf
vorab per Telefax 0211 - 4972 2781
Sehr geehrter …,
wir möchten im Hinblick auf die Sitzung der Staatssekretäre am 6.3.2014 die Gelegenheit nutzen, unsere Position betreffend den Evaluierungsbericht der Facharbeitsgruppe darzulegen.
Auch der Bundesverband der Steuerberater e.V. unterstützt die Zielsetzung der Bekämpfung der Steuerhinterziehung, welche die notwendigen finanziellen Grundlagen unseres Staates aushöhlt.
Als Berater insbesondere der Unternehmen, nicht zuletzt auch des Mittelstandes, ist uns aus der Praxis aber auch das Problem vieler steuerehrlicher Unternehmen bewusst, im Bereich der Anmeldesteuern trotz fehlender Hinterziehungsabsicht kriminalisiert zu werden. Auch bei größter Sorgfalt unserer Mandanten und der Berater lassen sich nachträgliche Korrekturen der Anmeldesteuern (LSt, USt) nicht immer vermeiden. Hierbei kommt es oft zu dem Problem der Mehrfachkorrektur (einschließlich ggf. durch die Jahreserklärung), ggf. zusätzlich nach einer leicht verspäteten Abgabe der Voranmeldung. Die durch das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz in 2011 eingeführte Neuregelung der Selbstanzeige führt in diesen Fällen aus den bekannten Gründen nicht mehr zu einer rechtssicheren Lösung für die betroffenen - an sich steuerehrlichen - Unternehmen. Allein eine verspätete Abgabe einer Voranmeldung ist eine Selbstanzeige, so dass für jede spätere Korrektur einer Voranmeldung nicht mehr die Möglichkeit der Selbstanzeige besteht. Angesichts des Umstandes, dass für den Vorwurf einer Steuerhinterziehung bereits Eventualvorsatz genügt, der jedoch kaum rechtssicher von der groben Fahrlässigkeit (Leichtfertigkeit) abzugrenzen ist, bewegen sich viele Unternehmen bei Anmeldungen unfreiwillig in einer strafrechtlichen Grauzone.
Um den betroffenen Unternehmen gesetzestechnisch und damit rechtssicher zu helfen, möchten wir hier zwei Vorschläge unterbreiten (Vorschlag 1 und 2), die wir innerhalb unseres Verbandes und auch mit externem führendem Sachverstand ausführlich diskutiert haben.
I. Vorschlag 1
Um Rechtssicherheit zu schaffen, sollte unseres Erachtens der Straftatbestand des § 370 AO einschränkend ausgestaltet werden:
Der Bereich der LSt und KapEst sollte nicht mehr dem Straftatbestand des § 370 AO unterliegen. Für die USt-Voranmeldungen wäre die Schuldform des Eventualvorsatzes aus dem Tatbestand der Steuerhinterziehung herauszunehmen. § 370 AO wäre somit im Bereich der USt-VA auf den direkten Vorsatz begrenzt. Hierdurch würden die oftmals lediglich fahrlässigen Fehler im Rahmen von Anmeldesteuern nicht mehr der Gefahr ausgesetzt sein, in den Bereich des Eventualvorsatzes und damit des Straftatbestandes gerückt zu werden. Selbstverständlich wäre bei Leichtfertigkeit weiterhin ein Bußgeld gem. § 378 AO möglich (soweit nicht eine bußgeldbefreiende Selbstanzeige gem. § 378 Abs. 3 AO vorliegt.) Die Herausnahme der LSt und KapESt lässt sich unseres Erachtens auch damit rechtfertigen, dass es sich um eine fremde Schuld handelt.
Unser Gesetzesvorschlag lautet daher für § 370 AO, in Absatz 1 einen Satz 2 und 3 einzufügen:
”2 Satz 1 gilt nicht für die Lohnsteuer, die Kapitalertragsteuer sowie die Voranmeldungen zur Umsatzsteuer. 3Satz 2 gilt nicht für Steueranmeldungen, die sich auf das gesamte Kalenderjahr beziehen”.
Satz 3 unseres Vorschlages bewirkt, dass das Privileg nicht für die Jahreserklärung zur USt gilt.
Durch diesen Vorschlag würde die notwendige Rechtssicherheit für die - in ihrer überwiegenden Mehrzahl steuerehrlichen - Unternehmen eintreten. Auch die Finanzbehörden würden entlastet werden. Nicht zuletzt herrscht nach unserer Praxiserfahrung nicht selten auch bei Finanzbeamten Rechtsunsicherheit, wie mit den Einzelfällen sicherheitshalber umgegangen werden sollte, um sich nicht ggf. selbst dem etwaigen späteren Vorwurf einer Strafvereitelung auszusetzen. Die Anpassungen im Rahmen der AStBV (St) haben keine Klarheit geschaffen, die nur durch ein Gesetz erreicht werden kann.
II. Vorschlag 2
Sollte Vorschlag 1 politisch nicht umsetzbar sein, so möchten wir hilfsweise folgende Gesetzesänderung anregen.
Der Gesetzesvorschlag der Fachgruppe auf Seite 34 des Evaluierungsberichts (unten in der Fußnote 36) ist unseres Erachtens ein sehr begrüßenswerter Ansatz. Die Facharbeitsgruppe hat die sich stellenden Probleme alle angesprochen. Diese sind allerdings durch diesen Vorschlag unseres Erachtens nicht sämtlich gelöst. Der vorgenannte Vorschlag der Facharbeitsgruppe lautet, in § 371 AO folgenden Absatz 1a einzufügen:
„1Abweichend von Absatz 1 tritt bei Selbstanzeigen im Umfang der gegenüber der zuständigen Finanzbehörde berichtigten, ergänzten oder nachgeholten Angaben Straffreiheit ein, wenn und soweit die Steuerhinterziehung durch Verletzung der Pflicht zur rechtzeitigen Abgabe einer vollständigen und richtigen Steueranmeldung begangen worden ist. 2Absatz 2 Nr. 3 findet insoweit keine Anwendung. 3Satz 1 gilt nicht für Steueranmeldungen, die sich auf das gesamte Kalenderjahr beziehen.“
Nach unserer Ansicht würde dieser gute Ansatz allerdings zwei Probleme nicht lösen:
- Allein die Abgabe einer korrigierten Anmeldung darf keine Tatentdeckung darstellen (Tatbestandsfiktion). Andernfalls würde beispielsweise die Abgabe einer korrigierten Selbstanzeige z.B. für 10/2013 eine Tatentdeckung für 10/2013 bedeuten und wegen der Infizierungslösung dazu führen, dass die gesamte Steuerart Umsatzsteuer als entdeckt gilt. Dies könnte dadurch vermieden werden, dass Satz 2 und 3 in der o.g. Formulierung durch folgende Sätze ersetzt werden: „2Abweichend von § 371 Absatz 2 AO gilt § 378 Absatz 3 Satz 1 AO entsprechend. 3Satz 1 und 2 gelten nicht für Steueranmeldungen, die sich auf das gesamte Kalenderjahr beziehen.“ Damit gilt für Voranmeldungen – außer bei Jahreserklärungen – lediglich der Sperrgrund der Einleitung eines Steuerstrafverfahrens.
- Die Abgabe der Umsatzsteuerjahreserklärung des Vorjahres (z.B. 2013) darf nicht das Vollständigkeitsgebot für die Voranmeldungen des laufenden Jahres z.B. 1/2014 auslösen. Hier könnte in § 371 Absatz 1 AO folgender Satz 2 eingefügt werden: „Das Vollständigkeitsgebot nach Satz 1 bezieht sich nicht auf Steueranmeldungen.“
- Bei Lohnsteueranmeldungen ist zu beachten, dass es dort keine Jahreserklärungen gibt, demnach (Teil-)Selbstanzeigen immer zulässig wären. Dem könnte durch folgenden Satz 4 im o.g. Absatz 1a Rechnung getragen werden: „4Satz 1 und 2 gelten nicht, wenn 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres verstrichen sind, für das die Steueranmeldung einzureichen war.“ Die Frist von 15 Monaten ist von uns hier nur beispielhaft gewählt worden. Die Frist führt für alle Steueranmeldungen, auch Umsatzsteuervoranmeldungen zu einer zeitlichen Begrenzung, bis zu der der Steuerpflichtige sichergestellt haben muss, dass alle Angaben nunmehr richtig und vollständig sind.
Zusammengefasst lautet unser Formulierungsvorschlag für § 371 AO damit:
- 1Wer gegenüber der Finanzbehörde zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart in vollem Umfang die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachholt, wird wegen dieser Steuerstraftaten nicht nach § 370 bestraft. 2Das Vollständigkeitsgebot nach Satz 1 bezieht sich nicht auf Steueranmeldungen.
- 1Abweichend von Absatz 1 tritt bei Selbstanzeigen im Umfang der gegenüber der zuständigen Finanzbehörde berichtigten, ergänzten oder nachgeholten Angaben Straffreiheit ein, wenn und soweit die Steuerhinterziehung durch Verletzung der Pflicht zur rechtzeitigen Abgabe einer vollständigen und richtigen Steueranmeldung begangen worden ist. 2Abweichend von § 371 Absatz 2 AO gilt § 378 Abs. 3 Satz 1 AO entsprechend. 3Satz 1 und 2 gelten nicht für Steueranmeldungen, die sich auf das gesamte Kalenderjahr beziehen. 4 Satz 1 und 2 gelten nicht, wenn 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres verstrichen sind, für das die Steueranmeldung einzureichen war.“
Damit wäre für Steueranmeldungen im Ergebnis nahezu der Rechtszustand wiederhergestellt, der vor dem Inkrafttreten des Schwarzgeldbekämpfungsgesetzes bestanden hat.
Für Rückfragen stehen wir gerne kurzfristig zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
StB/RA Prof. Dr. Jochen Lüdicke
Präsident
StB/RA Ingo Heuel
2. Vizepräsident