Das Bundesverfassungsgericht hat die Erbschaftbesteuerung erneut und bereits zum vierten Mal in Folge als „verfassungswidrig“ bezeichnet und die Fortgeltung des Gesetzes bis zu einer bundesgesetzlichen Neuregelung, spätestens zum 30. Juni 2016, angeordnet. Der Bundesverband der Steuerberater hat bereits im Jahre 2013 ein einfaches, belastungsgerechtes und die deutsche Unternehmenslandschaft nicht übermäßig belastendes von Besteuerungsausnahmen befreites Gesetzeswerk, das 10‑10-Modell (www.bvstb.de), vorgestellt. Die Überprüfung des Modells anhand der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts führt zu keinem Änderungsbedarf, so dass die Politik auf einen ausformulierten Gesetzesentwurf zurückgreifen könnte.
Bedauerlicherweise ist diese auch im Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Dezember 2014 explizit in Tz. 282 benannte Alternative, die Erbschaftsteuer vollständig neu gleichheitsgerecht und verfassungskonform zu regeln, in der Politik nicht auf fruchtbaren Boden gestoßen. Vielmehr soll trotz der seit 40 Jahren bestehenden Verfassungswidrigkeit nur eine „minimalinvasive“ Nachbesserung erfolgen. Der Bundesverband der Steuerberater bietet mit den nachfolgend dargestellten Überlegungen erneut seine fachliche Unterstützung für eine verfassungskonforme Ausgestaltung auf der Basis der derzeit fortgeltenden Gesetzeskonzeption an.
Die von der Politik bislang veröffentlichten Eckpunkte genügen bei weitem nicht für eine verfassungskonforme Ausgestaltung. Angesichts des politisch gewollten Festhaltens an hohen Steuersätzen und einer Steuerbasis mit einer Vielzahl von Ausnahmen und Verschonungstatbeständen ist eine erneute verfassungsgerichtliche Überprüfung sicher zu erwarten.
Die nachfolgenden Vorschläge greifen nicht nur die Punkte auf, die das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 17. Dezember 2014 angesprochen hat, sondern beziehen auch die Überlegungen des Bundesverfassungsgerichts aus früheren Entscheidungen, die das Erbschaftsteuerrecht regelmäßig als verfassungswidrig gebrandmarkt haben, ein, damit eine realistische Chance auf eine verfassungskonforme Gesetzgebung geschaffen wird. Insbesondere ist darauf zu achten, dass entsprechend der Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts bei gesetzlichen Typisierungen von einem realitätsgerechten typischen Ausgangsfall ausgegangen wird und nicht ein atypischer Fall zum Normalfall erkoren wird. Ferner geht es uns darum, dass der Gesetzgeber die vom Bundesverfassungsgericht bereits mehrfach angemahnte folgerichtige Umsetzung seines Gesetzeskonzeptes auch im Bereich der Erbschaftsteuer in Angriff nimmt. Auf Basis dieser Vorgaben gibt es folgende notwendige Änderungsbereiche:
1. Bewertungsverfahren
Der Gesetzgeber hat in §§ 199 ff. BewG (vereinfachtes Ertragswertverfahren) ein auf Basis einer Cashflow-Betrachtung ermittelten Unternehmenswert angeboten. Dieser Ansatz ist allerdings faktisch vollständig unbrauchbar, weil die durch die langjährige Niedrigzinspolitik der EZB sich ergebenden Ertragswerte ganz erheblich von tatsächlich zu beobachtenden Verkaufswerten abweichen. Der für Bewertungsvorgänge in 2015 anzuwendende Ertragswertfaktor, der Multiplikator auf den durchschnittlichen Jahresgewinn, beträgt 18,21. Derartige Ertragswerte sind allenfalls im Bereich von Hightech-Unternehmen erzielbar. Im typischen Fall mittelständischer Unternehmen betragen die Ertragswertfaktoren, zu denen derartige Unternehmen verkauft werden können, das vier- bis siebenfache. Da die weit überwiegende Anzahl von Unternehmen nicht dem Hightech-Bereich zugeordnet werden kann, hat der Gesetzgeber einen atypischen Ausgangsfall für die Bewertungsregelung gewählt. Dies ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes untauglich. Die Alternative, dass jeweils durch Unternehmensbewertungen, die sehr kostspielig sind und im Mittelstand teilweise zu erheblichen Gleichheitsverstößen führen, ein anderes Verfahren an die Stelle des gesetzlichen Regelverfahrens tritt, ist nicht praktikabel umsetzbar. Bewertungsverfahren sind im Übrigen stark gestaltungsanfällig, weil die oftmals nicht existierenden langfristigen Planungen dann zielgerichtet für Zwecke der Unternehmensbewertung erstellt werden müssen. Der Bundesverband der Steuerberater schlägt daher vor, dass die tatsächlichen Unternehmenskaufpreise den Rahmen für ein Multiplikatorverfahren bilden. Angesichts der zu erwartenden mehrjähren Niedrigzinsphase ist ein Multiplikator im oberen Bereich, mithin ein Faktor von rund 6 bis 7, vielfach angemessen. Der Nachweis eines niedrigeren Wertes wäre verfahrenstechnisch dann durch Gutachten möglich, bliebe aber auf Einzelfälle beschränkt.
Ein weiteres Kernproblem besteht darin, dass der Gesetzgeber die Bewertung eines Unternehmensanteils quotal aus dem Unternehmenswert des Gesamtunternehmens ableitet. Diese Annahme mag in der ersten Nachkriegsgeneration noch dem typischen Bild entsprochen haben, weil die Gründergeneration 100 % der Anteile innehatte. Zwischenzeitlich ist der typische Fall jedoch der, dass eine Erbschaft oder Schenkung nurmehr einen Teil der Unternehmensanteile umfasst. Dieser Teil vermittelt in der Regel nicht mehr die Mehrheit der Stimmrechte, so dass die Ausschüttungspolitik des Unternehmens nicht beeinflusst werden kann. Ferner entspricht es der typischen Situation bei deutschen Familienunternehmen, dass der wesentliche Teil der Gewinne nach Steuern im Unternehmen belassen wird. Die Ausschüttungsquote – nach Steuern – entspricht häufig nur 20 bis 30 % des verbleibenden Nettogewinns. Demgegenüber orientiert sich die Cashflow-Betrachtung des Bewertungsgesetzes an einer regelmäßig nicht anzutreffenden Vollausschüttung sämtlicher Gewinne. Auch hier wird wieder ein atypischer Fall zum Ausgangspunkt der gesetzlichen Regelung gewählt. Richtigerweise würde der Gesetzgeber anerkennen, dass mit einem übertragenen Anteil im Kern das Recht verbunden ist, von den Ausschüttungen in der von der Gesellschaftermehrheit festgesetzten Höhe zu profitieren und – wenn man sich auf dieser Basis von der Beteiligung trennen möchte – einen satzungsmäßig regelmäßig beschränkten Gegenwert zu erhalten. Es ist daher nicht zunächst der Unternehmenswert für das Gesamtunternehmen zu ermitteln (dieses wird regelmäßig nicht vollständig übertragen), sondern der tatsächliche Anteilswert muss die Berechnungsgrundlage für die Erbschaftsbesteuerung werden. Zur Vermeidung von Missbräuchen sollte daher von der unternehmensindividuellen langjährigen durchschnittlichen Ausschüttungsquote (bemessen nach den jeweils letzten fünf Jahren) und für die Veräußerungsfähigkeit von den durch die Satzung festgelegten Werten ausgegangen werden. Wird die Satzung innerhalb einer 10-Jahres-Periode nach der Übertragung zugunsten des Erwerbers geändert, kann dies nachträglich werterhöhend berücksichtigt werden. Dieser auf den übertragenen Anteil abstellende Ansatz vermeidet die derzeit dramatische Überbewertung und den verfehlten Bewertungsausgangspunkt. Ein Steuerausfall für den Fall, dass der satzungsmäßige Anteilswert unterhalb des angemessenen Preises vereinbart wurde, ist ebenfalls nicht zu besorgen, da bei einer entsprechenden Übertragung an Mitgesellschafter dann eine Schenkungsteuer nach § 7 Abs. 7 ErbStG anfallen würde. Mit den vorgeschlagenen Änderungen wird der historisch aus der Bewertung für Vermögensteuer des Unternehmens herrührende Bewertungsansatz auf den jetzt erforderlichen Bewertungsanlassfall sachgerecht fortentwickelt.
2. Lohnsummenregelung
Durch die (erhöhte) Grenze von 20 Arbeitnehmern sind nach Schätzungen, auf die sich das Bundesverfassungsgericht beruft, die weit überwiegende Mehrzahl der Unternehmen nicht in die Lohnsummenkontrolle eingebunden, obwohl der Erhalt der Arbeitsplätze einer der wesentlichen Gründe für die erbschaftsteuerliche Begünstigung von Betriebsvermögen darstellt. Diese Gesetzeskonzeption war ein wesentlicher Grund für die Verfassungswidrigkeitserklärung des Erbschaftsteuergesetzes durch das Bundesverfassungsgericht. Zutreffenderweise wird man eine neue Regelung für den Lohnsummentest auf der Basis statistischer Daten einführen müssen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber Kleinunternehmen (Unternehmenswert < € 150.000) nicht für besteuerungswürdig hält, wie er auch für andere Vermögensarten (selbstbewohntes Einfamilienhaus u. a.) jeweils Freibeträge bzw. Freigrenzen geregelt hat. Auf der Basis eines Gewinnfaktors von 6 sollten daher Unternehmen, die einen durchschnittlichen Jahresgewinn (nach Unternehmerlohn) von weniger als € 25.000 ausweisen, aus den zu betrachtenden Unternehmen ausgesondert werden. Alle diese Unternehmen können ohnedies regelmäßig ohne Erbschaftsteuerbelastung übertragen werden und sind daher für die Frage nach dem eigentlichen Verschonungsgrund irrelevant. Für die verbleibenden Unternehmen dürfte sich ein Medianwert von ca. 8 bis 10 Arbeitnehmern ergeben. Entsprechend der festzustellenden tatsächlichen Gegebenheiten sollte der Gesetzgeber die konkrete Arbeitnehmeranzahl, die an Stelle der Arbeitnehmeranzahl von 20 auf Basis der vorgestellten Berechnungsüberlegungen abzusenken ist, festlegen. Wird eine solche Festlegung in der vorgenannten Größenordnung auf Basis statistischer Daten durchgeführt, wird die weitaus überwiegende Anzahl von Arbeitnehmern in der Lohnsummenkontrolle bleiben. Schon bei der Grenze von 20 Arbeitnehmern war es so, dass die weit überwiegende Anzahl von Beschäftigungsverhältnissen im Rahmen der Lohnsummenkontrolle erfasst wurde, weil die Großunternehmen zwar eine relativ kleine Unternehmensanzahl repräsentieren, aber die Mehrheit der relevanten deutschen Arbeitnehmer in ihnen beschäftigt ist.
3. Verwaltungsvermögen
Das Bundesverfassungsgericht hat nachvollziehbar beanstandet, dass die derzeitige Regelung zur Bestimmung des begünstigungsfähigen Vermögens im Unternehmen die der Erbschaftsteuerbefreiung zugrundeliegenden Wertentscheidungen nicht sachgerecht aufgreift. Entsprechend den Überlegungen im Bundesministerium der Finanzen schlägt auch der Bundesverband der Steuerberater vor, den Verwaltungsvermögenstest neu zu ordnen. Ausgangspunkt sollte sein, dass notwendiges Betriebsvermögen von Unternehmen im Grundsatz begünstigungsfähig ist. Privatvermögen, auch dann wenn es dem Unternehmen zur Verfügung gestellt wird (gewillkürtes Betriebsvermögen) scheidet vollständig aus der Begünstigung aus. Liquides Vermögen stellt sogenanntes neutrales Vermögens dar. Dieses neutrale Vermögen ist erforderlich, um z. B. regelmäßig Löhne, Sozialabgaben und Steuern bezahlen zu können; kein Unternehmen kann ohne Kontoguthaben existieren. Auf der anderen Seite soll verhindert werden, dass sich die unternehmerische Tätigkeit schlicht in der Nutzung von Kontoguthaben (Cash-GmbH) erschöpft, da ein Bankkonto im Mantel einer Kapital- oder Personengesellschaft nicht für die deutsche Unternehmenslandschaft und für deutsche Arbeitsplätze von Gewicht ist und daher sachgerecht nicht begünstigt werden darf. Dem Bundesverband der Steuerberater erscheint hier als vernünftiger Kompromiss, von den leicht ermittelbaren durchschnittlichen Daten der letzten fünf Geschäftsjahre auszugehen und die Höhe des neutralen Vermögens auf den Bestand von Verbindlichkeiten zzgl. Rückstellungen und passiven Rechnungsabgrenzungsposten zuzüglich der durchschnittlichen liquiden Ausgaben (ohne Aufwand für Handelsware und Materialaufwand) zu begrenzen. Förderungsziel ist neben dem Erhalt der Unternehmenslandschaft der eingerichtete Arbeitsplatz. Ein Unternehmen sollte sich so aufstellen können, dass auch bei Auftragsausfällen und Zahlungsausfällen die Zahlung von Löhnen, Sozialversicherungsabgaben, Steuern und Mieten und Pachten für ein Jahr aus der Liquidität gesichert werden kann. Die jeweilige Anforderung an die konkrete Höhe dieses Betrages variiert zwischen den Unternehmen derart stark, dass wir eine unternehmensindividuelle Betrachtung auf der Basis der manipulationsfesten durchschnittlichen Vorjahreswerte vorschlagen. Ferner muss sachgerecht der Bestand von Schulden durch liquide Mittel ausgeglichen werden können, weil es sonst bei jeder Kreditauszahlung zu gleichheitswidrigen Verwerfungen der Begünstigung kommen kann. Wird zum Erwerb einer Maschine ein Kredit aufgenommen und ausgezahlt, ist die Maschine aber noch nicht angeschafft, hat das Unternehmen einen erhöhten Verbindlichkeiten- und erhöhten Kontoguthabenbestand. Das Unternehmen ist allerdings nicht mehr wert. Würde nun der Schuldenbestand quotal auf aktives Betriebsvermögen und den Barmittelbestand verteilt, wären die am Vortag vor der Kreditauszahlung aus Eigenkapital finanzierten Anlagegüter auf einmal nicht mehr voll begünstigungsfähig. Wird der Barmittelbestand am Folgetag für die Bezahlung neuer Anlagegüter verausgabt, wäre erneut eine volle Begünstigung sachgerecht erforderlich. Es kann nun nicht sein, dass Unternehmer, die am Tag nach der Kreditauszahlung und vor der Verwendung der ausgezahlten Liquidität versterben, ihren Erben eine erhebliche Steuerlast mit auf den Weg geben, während diese weder am Tag vorher noch am Tag danach eintritt. Hier wird deutlich, dass die in der Politik derzeit diskutierte quotale Aufteilung der Schulden auf alle aktiven Vermögensgegenstände einschließlich des neutralen Geldvermögens verfehlt ist. Entsprechendes gilt für Rückstellungen und passive Rechnungsabgrenzungsposten. Der Unternehmenswert ist z. B. durch eine Steuerrückstellung in gleicher Weise belastet wie durch eine kreditfinanzierte Steuerzahlung. Entsprechendes gilt für die Mittelbeschaffung durch Verkauf von Forderungen statt durch Kreditaufnahme. Sachgerecht ist es mithin, notwendiges Betriebsvermögen zu begünstigen und darüber hinaus neutrales Vermögen in Höhe der vorhandenen Verbindlichkeiten zzgl. Rückstellungen und passiven Rechnungsabgrenzungsposten und zusätzlich des durchschnittlichen (vergangene fünf Jahre) jährlichen Geldbedarfs mit Ausnahme des Geldbedarfs für Handelsware und Material. Ist eine Unternehmensgruppe mehrstufig aufgebaut, wird der Test konsolidiert vorgenommen. Es entspricht der Praxis deutscher mittelständischer Unternehmen, unabhängig von der Frage, ob und in welchem Umfang konkret eine harte oder weiche Patronatserklärung oder Garantiezusage erteilt wurde, Drittgläubiger zu bezahlen.
4. Bedürfnisprüfung
Das Bundesverfassungsgericht hat unter Betrachtung gleichheitsrechtlicher Prinzipien nachvollziehbar entschieden, dass die Höhe des verschonten Betriebsvermögens einer Intensivierung der Begründung für die eintretende Begünstigung bedarf. Der gleichheitsrechtliche Ansatz des Bundesverfassungsgerichts darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass mit jeder Steuerzahlung auch ein Eingriff in die Freiheitsgrundrechte der Bürger verbunden ist. Zu dem freiheitsgrundrechtlich geschützten Bereich gehört die Entscheidung, Vermögen als Privatvermögen zu halten und nicht unternehmerisch einzusetzen. Diese freie Finanzierungsentscheidung muss der Gesetzgeber freiheitsrechtlich akzeptieren. Insbesondere ist es nicht plausibel, dass ein wirtschaftlich erfolgreicher Erbe sein selbst geschaffenes privates oder gar unternehmerisch gebundenes Vermögen für die Begleichung der Erbschaftsteuer einsetzen müssen soll, während ein nichtsnutziger Erbe in den Genuss der Verschonung gelangen sollte. Der selbständig erfolgreiche Erbe bietet eine viel höhere Erwartung dafür, dass er auch das ererbte Vermögen unter Erhalt oder Ausbau von Arbeitsplätzen erfolgreich weiterentwickelt. Eine Verschonungsregelung, die den nichtsnutzigen Erben dem erfolgreichen Erben gegenüber begünstigt, ist bereits im Ansatz verfehlt. Allerdings muss sichergestellt werden, dass nicht durch eine künstliche Aufspaltung von Erbschaften und Schenkungen der legitime Steueranspruch des Staates in Frage gestellt wird. Da im Schenkungsteuer- und Erbschaftsteuerrecht traditionell für Fragen der Berechnung des maßgeblichen Steuersatzes Schenkungen und Erbschaften innerhalb einer 10-Jahres-Periode zusammengerechnet werden, sollte das mitverschenkte nichtbegünstigte Vermögen oder Vermögen, das innerhalb einer 10-Jahres-Periode vor oder nach dem Betriebsvermögensübergang vom Erblasser bzw. Schenker dem Erben bzw. Beschenkten zukommt, in die Bedürfnisprüfung einbezogen werden. Wird lediglich betriebliches Vermögen verschenkt, sollte die Erbschaftsteuer zum Erhalt des Unternehmens und der Arbeitsplätze aus den künftigen entnahmefähigen Gewinnen bezahlt werden, bis die Erbschaftsteuer abgegolten ist. Hierbei sollen zur Vermeidung von Manipulationsmöglichkeiten die durchschnittlichen Ausschüttungssätze der fünf Jahre vor der Erbschaft bzw. der Schenkung als Durchschnittsmaßstab fortgelten. Bei entsprechender gesetzgeberischer Ausgestaltung können Gesellschaftsverträge einen Minderheiten schützenden Entnahmeanspruch in der durchschnittlichen Höhe der letzten fünf Jahre in aller Regel ohne zu große Probleme umsetzen. Die Ausschüttungen bzw. Entnahmen, die nicht für die Zahlung von Ertragsteuer verwendet werden, sollen sodann hälftig zwischen dem Gesellschafter für seinen Lebensunterhalt und dem Finanzamt für die Erbschaftsteuer aufgeteilt werden. Dies führt für den Unternehmenserben einer Personengesellschaft dazu, dass 45 % des Gewinns für die Einkommensteuer (gegebenenfalls vermindert um etwaige anrechenbare Gewerbesteuern) und die verbleibenden 55 %, soweit sie nicht thesauriert werden, dann hälftig zum Lebensunterhalt und hälftig für die Bezahlung der gestundeten Erbschaftsteuern verwendet werden können. Eine Steuerquote von maximal rund 72 %, also eine eigennützige Gewinnverwendung von nur gut einem Viertel, stellt zwar einen harten Eingriff dar, ist aber regelmäßig nicht existenzvernichtend. Ist die vererbte Gesellschaft eine Kapitalgesellschaft, erfolgt die Ertragsteuerbelastung primär auf dieser Ebene. Von den Dividenden wird rund ein Viertel als Kapitalertragsteuer einbehalten. Die verbleibenden drei Viertel können erneut hälftig geteilt für den Lebensunterhalt und die Erbschaftsteuerzahlung verwendet werden. Die Stundung erfolgt grundsätzlich bis zur Abtragung der vollständigen Steuerschuld. Eine etwaige ausstehende Steuerschuld, die im Todesfall des Erben noch besteht, würde, damit der Folgeerbe nicht übermäßig belastet wird, entfallen. Da die durchschnittliche Ausschüttungsquote der letzten fünf Jahre vor Erbfällen und Schenkungen in den Blick für die Höhe der Ausschüttungen, aus denen die Erbschaftsteuer bezahlt werden muss, genommen wird, erfolgt typisierend keine übermäßige Liquiditätsbelastung des Unternehmens. Betragsmäßige Obergrenzen erscheinen auf dieser Basis, die typischerweise zur vollständigen Bedienung der Erbschaftsteuerforderung reicht, nicht erforderlich. Ziel der neu definierten Regelungen zur verfassungskonformen Ausgestaltung der Erbschaftsteuer sind neben dem Erhalt der Arbeitsplätze der Erhalt der unternehmerischen Landschaft in Deutschland. Zu dieser Landschaft gehören familiengeführte mittelständische Unternehmen aller Größenordnungen. Die nichtbegünstigungsfähigen Vermögensteile von familiengeführten Großunternehmen würden im Rahmen der Neukonzeption vollständig der Erbschaftbesteuerung unterliegen. Ebenfalls würde gewillkürtes Betriebsvermögen und über die betrieblichen Anforderungen hinaus in Unternehmen befindliches neutrales Vermögen auf Basis der Neukonzeption vollständig besteuert werden. Auch dann, wenn neben betrieblichem Vermögen privates Vermögen oder nichtbegünstigtes Betriebsvermögen übertragen wird, erfolgt ein sofortiger oder bei illiquidem Vermögen zinspflichtig gestundeter Erbschaftsteuerzugriff. Auf Basis der zielgenauen Abgrenzung zwischen begünstigtem und nichtbegünstigtem Vermögen, der sachgerechten Anpassung der Lohnsumme und der Bewertung erscheint ein Besteuerungszugriff auf Großunternehmen, bei denen nur eine Unternehmensbeteiligung, nicht aber auch Privatvermögen übertragen wird, nicht erforderlich. Der Fall, dass Unternehmensvermögen im hohen zweistelligen oder dreistelligen Millionenbetrag übertragen wird, aber kein Privatvermögen vorhanden ist, das mitübertragen würde, ist derart atypisch, dass die gesetzliche Konzeption auf diesen Fall auch von Verfassungs wegen nicht wird eingehen müssen, zumal durch die langjährigen Vor- und Nachbetrachtungsperioden Missbräuche besser als in der derzeitigen Gesetzeskonzeption ausgeschaltet sind.
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