03. Mai 2010
Bundesverband der Steuerberater warnt vor einer voreiligen Abschaffung der strafbefreienden Selbstanzeige im Steuerstrafrecht (PM 8/10)
Im Zusammenhang mit den inzwischen gekauften Bankdaten aus der Schweiz wird das Instrument der strafbefreienden Selbstanzeige zunehmend kritisch be-wertet. Aus verschiedenen Richtungen werden Forderungen laut, die eine Modi-fizierung der Möglichkeiten der Abgabe einer strafbefreienden Selbstanzeige oder gar deren völlige Abschaffung fordern.

Auf eine kleine Anfrage der Linksfraktion (BT-Drucksache 17/1130) hat die Bundesregierung in ihrer Antwort (BT-Drucksache 17/1352) mitgeteilt, dass sie im Grundsatz das Instrument dieser Selbstanzeige erhalten möchte, aber dort, wo sie mit krimineller Energie von Anfang an bereits in die Steuerhinterziehungsplanung mit einbezogen wird, Schranken definieren möchte.

In der gegenwärtigen Diskussion sollten die nachstehenden Aspekte bedacht werden:

1.    Erschließung unbekannter Steuerquellen, Strafanspruch des Staates

Der Staat könnte mit dem vorhandenen Personal alleine aufgrund der Steuer-CDs weder den Strafanspruch noch den Steueranspruch realisieren. Er ist auf die Unterstützung der Täter und entsprechend spezialisierter Berater angewiesen.

Die Straffreiheit wird dem Täter nicht geschenkt. Sie setzt ein Korrekturverhalten des Hinterziehers sowie die Nachzahlung der verkürzten Steuern – welche mit 6% pro Jahr verzinst werden – voraus. Die Selbstanzeige dient demnach vor allem dem außerstrafrechtlichen Zweck, dem Fiskus bisher verborgene Steuerquellen zu erschließen. Dafür verzichtet der Staat auf seinen Strafanspruch. „Wer die Selbstanzeige abschafft, gibt der Finanzverwaltung Steine statt Brot“, erläutert StB/RA Ingo Heuel, Vizepräsident des BVStB. „Ohne die Mitwirkung der Beteiligten und die Aufbereitung der Daten durch diese könnten die Steuerfahndungsbehörden diese Steuerquelle nicht erschließen“, so Heuel. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass den Fahndungsbehörden Steuer-CDs mit Bankdaten vorliegen. Hier stellt sich zunächst die Frage, ob das Datenmaterial ausreicht, um die Kapitalerträge zu ermitteln bzw. grob zu schätzen und den einzelnen Jahren zuzuordnen. Wer Mandanten in diesem Bereich betreut, weiß ferner, wie zeitintensiv die Ermittlung der Kapitalerträge ist.

Unabhängig hiervon erscheint es mehr als fraglich, ob eine Verurteilung der Täter alleine aufgrund der Steuer-CD erfolgen würde. Zunächst stellt sich die Frage, ob diese CD, deren Herkunft und Übermittlungsweg bislang ungeklärt ist, einem Verwertungsverbot unterliegt. Unabhängig hiervon lässt sich alleine anhand der Steuer-CD die für eine Verurteilung des Täters erforderliche Überzeugung des Gerichts von der „Wahrheit nach § 261 StPO" vermutlich nicht erbringen. Die hier gespeicherten Daten stellen keine Urkunde dar, die – wie etwa Kontoauszüge - in einem Strafprozess verlesen werden könnten. Sie selbst erbringt nur den Beweis über die auf ihr gespeicherten Daten. Auch wenn eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass die gespeicherten Daten zutreffend sind, erbringt die Steuer-CD selbst keinen Beweis dafür, dass diese Daten der Wahrheit entsprechen.

2.    Konflikt zwischen Selbstbelastungsschutz und strafbewehrter (Steuer-) Erklärungspflicht

Gesehen werden muss auch, dass sich die Steuerhinterziehung – anders als andere Delikte - dadurch auszeichnet, dass der Staat dem Steuerhinterzieher weiterhin steuerrechtlich korrektes Verhalten abverlangt. So besteht die steuerrechtliche Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung weiter fort, auch wenn sich der Steuerpflichtige bereits wegen Unterlassen der Abgabe der Steuererklärung strafbar gemacht hat. Dies liefe in der Konsequenz auf eine Pflicht zur Selbstüberführung hinaus, wenn es nicht die Möglichkeit der Selbstanzeige gäbe. Die Abgabe einer Steuererklärung würde nach dem sog. nemo-tenetur-Prinzip zu einem strafrechtlichen Verwertungsverbot führen. Denn nach diesem menschenrechtlich und grundrechtlich verankerten Prinzip darf niemand gezwungen werden, sich selbst zu belasten. Das Ergebnis wäre wiederum, dass der Täter nicht bestraft werden könnte.

Zudem muss bedacht werden, dass ein Steuerpflichtiger, der sich entschließt, sich künftig steuerehrlich zu verhalten, sich durch die Abgabe seiner Steuererklärung selbst für die Vergangenheit strafrechtlich belasten würde, wenn die Möglichkeit einer Selbstanzeige abgeschafft werden würde. Wenn er z.B. für das Jahr 2009 Kapitalerträge in seiner Steuererklärung erklärt und das Kapital sowie daraus erzielte Erträge bereits vor dem Jahr 2009 vorhanden waren, würde er die Spur zu seinen Verfehlungen der Vergangenheit selbst legen. Ob in diesem Fall die für das Jahr 2009 gemachten Angaben zu einem strafrechtlichen Verwertungsverbot in dem Strafverfahren wegen der in den Vorjahren erfolgten Steuerhinterziehungen führt, wofür einiges spricht, hat der BGH bislang offen gelassen. Das Ergebnis eines strafrechtlichen Verwertungsverbotes wäre wiederum, dass der Täter nicht bestraft werden könnte. Eines Rückgriffs auf die Selbstanzeige bedürfte es dann nicht und der Täter müsste – anders als bei der Selbstanzeige – nicht einmal die Steuern nachzahlen, um straffrei auszugehen.

Wer die Selbstanzeige abschafft, der sollte zudem etwaige Auswirkungen auf Steuererklärungspflichten bedenken. In seinem Beschluss vom 21.4.1988 (BvR 330/88) hat das Bundesverfassungsgericht das Fortbestehen der Steuererklärungspflichten trotz der Gefahr der Selbstbelastung nur deshalb bejaht, weil die Möglichkeit einer Selbstanzeige bestand und der Betroffene im entschiedenen Fall über ausreichende Mittel zur Bezahlung der Steuern verfügte.

3.    Leichtfertige Steuerhinterziehung

In den Fällen, in denen dem Täter nur ein leichtfertiges Fehlverhalten - etwa eine leichtfertige Steuerhinterziehung nach § 378 AO und keine vorsätzlich begangene Tat nach § 370 AO - zur Last gelegt wird, sollte die Möglichkeit einer strafbefreienden Selbstanzeige in der bisherigen Form unbedingt bestehen bleiben. Ein solcher „Lapsus“ ist schnell passiert. Selbst der Bundesgerichtshof weist in einer Entscheidung vom 14.11.1996 (Az. IX ZR 215/95) darauf hin, dass das Steuerrecht vielfach kompliziert und jedenfalls für den Laien undurchsichtig ist. Für den Steuerpflichtigen sei oft nur schwer erkennbar, was noch gesetzmäßig ist und was den Rahmen der steuerrechtlichen Legalität sprengt.

Berlin, den 03. Mai 2010

 

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