04. Juni 2013
Bundesverband der Steuerberater warnt davor, vorteilig die strafbefreiende Selbstanzeige abzuschaffen

Im Zusammenhang mit den Entwicklungen der jüngeren Vergangenheit wird das Instrument der strafbefreienden Selbstanzeige (teilweise wenig reflektiert) kritisch bewertet. Aus verschiedenen Richtungen werden Forderungen laut, die – wieder einmal - eine (völlige) Abschaffung der strafbefreienden Selbstanzeige oder deren Begrenzung auf kleinere Hinterziehungsbeträge fordern. Anders als bei ‚normalen’ Delikten, ist im Bereich der Steuerhinterziehung ein Täter möglicherweise auch der, der sich über steuerliche Regelungen irrt oder steuerlich nicht erklärtes Vermögen als Erbe übernimmt. Ein Kind eines Betrügers wird weder wegen Betruges belangt noch ist es verpflichtet, sich selbst zu belasten. Bei der Diskussion sollten ferner die nachstehenden Aspekte bedacht werden:

1. Konflikt zwischen Selbstbelastungsschutz und strafbewehrter (Steuer-) Erklärungspflicht

Während im Strafrecht allgemein der Täter jede Tat abstreiten und sich der Verfolgung entziehen kann, zeichnet sich die Steuerhinterziehung – anders als andere Delikte - dadurch aus, dass der Staat dem Steuerhinterzieher weiterhin steuerrechtlich korrektes Verhalten abverlangt. So besteht die steuerrechtliche Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung weiter fort, auch wenn sich der Steuerpflichtige bereits wegen Unterlassen der Abgabe der Steuererklärung strafbar gemacht hat. Dies liefe in der Konsequenz auf eine Pflicht zur Selbstüberführung hinaus, wenn es nicht die Möglichkeit der Selbstanzeige gäbe; eine solche Verpflichtung zur Selbstanzeige widerspricht grundsätzlich –wie erst neulich die Entscheidung des Menschengerichtshofes zur Androhung von staatlicher Repression gegen einen Kindesentführer gezeigt hat- der Menschenrechtskonvention und ist daher nur unter engen Bedingungen zulässig. Die Abgabe einer Steuererklärung würde im allgemeinen Strafrecht nach dem sog. nemo-tenetur-Prinzip zu einem strafrechtlichen Verwertungsverbot führen. Denn nach diesem menschenrechtlich und grundrechtlich verankerten Prinzip darf niemand gezwungen werden, sich selbst zu belasten. Besteht ein Selbstbelastungszwang, der staatlich vollstreckt wird, dürfte im allgemeinen Strafrecht die Erklärung nicht verwertet werden mit der Folge, dass der Täter nicht bestraft werden könnte. Mithin ist die strafbefreiende Selbstanzeige kein Fremdkörper im Strafrecht, sondern dient der Aufrechterhaltung der Balance zwischen der staatlich auferlegten Erklärungspflicht und dem rechtsstaatlichen Grundsatz, sich selbst nicht belasten zu müssen. 

Zudem muss bedacht werden, dass ein Steuerpflichtiger, der sich entschließt, sich künftig steuerehrlich zu verhalten, sich durch die Abgabe seiner Steuererklärung selbst für die Vergangenheit strafrechtlich belasten würde, wenn die Möglichkeit einer Selbstanzeige abgeschafft werden würde. Wenn er z.B. für das Jahr 2012 Kapitalerträge in seiner Steuererklärung erklärt und das Kapital sowie daraus erzielte Erträge bereits vor dem Jahr 2012 vorhanden waren, würde er die Spur zu seinen Verfehlungen der Vergangenheit selbst legen. Ob in diesem Fall die für das Jahr 2012 gemachten Angaben zu einem strafrechtlichen Verwertungsverbot in dem Strafverfahren wegen der in den Vorjahren erfolgten Steuerhinterziehungen führt, wofür einiges spricht, hat der BGH bislang offen gelassen. Das Ergebnis eines strafrechtlichen Verwertungsverbotes wäre wiederum, dass der Täter nicht bestraft werden könnte. Eines Rückgriffs auf die Selbstanzeige bedürfte es dann nicht und der Täter müsste – anders als bei der Selbstanzeige – nicht einmal die Steuern nachzahlen, um straffrei auszugehen. Wer die Selbstanzeige abschafft, der „schüttet das Kind mit dem Bade aus“, erläutert StB/RA Ingo Heuel, Vizepräsident des BVStB.

Wer die Selbstanzeige abschafft, der sollte zudem etwaige Auswirkungen auf Steuererklärungs­pflichten bedenken. In seinem Beschluss vom 21.4.1988 (BvR 330/88) hat das Bundesverfassungsgericht das Fortbestehen der Steuererklärungspflichten trotz der Gefahr der Selbstbelastung nur deshalb bejaht, weil die Möglichkeit einer Selbstanzeige bestand und der Betroffene im entschiedenen Fall über ausreichende Mittel zur Bezahlung der Steuern verfügte.

2. Erschließung unbekannter Steuerquellen, Strafanspruch des Staates

Abgesehen vom vorstehenden kann der Staat mit dem vorhandenen Personal auch den verfassungsrechtlich gebotenen gleichheitsgerechten Steuervollzug nicht völlig sicherstellen. Der Staat ist bei den meisten Steuern auf die korrekte Selbsterklärung der Betroffenen angewiesen. Nur die allgemeine Befolgung der Erklärungspflichten macht unser Steuerrecht praktikabel. Die Zufallsfunde aufgrund (legal oder illegal erworbener) Steuer-CDs führen weder zu einem gleichheitsgerechten Steuervollzug noch sorgen sie für eine gleichheitsgerechte Umsetzung des Steueranspruches. der Steuerstaat ist vielmehr allgemein auf die Unterstützung der Steuerpflichtigen und selbst bei Massenaufgriffen (zB wegen geänderter Gesetze oder deren Umsetzung) auf die Mitwirkung der Täter und entsprechend spezialisierter Berater angewiesen.

Die Straffreiheit wird dem Täter nicht geschenkt. Sie setzt ein Korrekturverhalten des Hinterziehers sowie die Nachzahlung der verkürzten Steuern voraus – welche (ungeachtet der weit niedrigeren Zinsen) mit 6% pro Jahr verzinst werden. Seit der Verschärfung der Selbstanzeige im Jahre 2011 ist zudem die vollständige Rückkehr zur Steuerehrlichkeit eine Wirksamkeitsvoraussetzung und bei Hinterziehungsvolumina von mehr als 50.000 € je Steuerart und Jahr wird darüber hinaus ein Strafzuschlag von weiteren 5% fällig. Die Selbstanzeige dient demnach vor allem dem außerstrafrechtlichen Zweck, dem Fiskus bisher verborgene Steuerquellen zu erschließen. Dafür verzichtet der Staat auf seinen Strafanspruch. „Wer die Selbstanzeige abschafft, gibt der Finanzverwaltung daher Steine statt Brot“, so StB/RA Ingo Heuel, Vizepräsident des BVStB. „Ohne die Mitwirkung der Beteiligten und die Aufbereitung der Daten durch diese könnten die Steuerfahndungsbehörden diese Steuerquelle nicht erschließen.“ Daran ändert auch der Umstand nichts, dass den Fahndungsbehörden vereinzelte Steuer-CDs mit Bankdaten vorliegen. Hier stellt sich zunächst die Frage, ob das Datenmaterial bereits nach Erpressung potentieller Täter tatsächlich dem Stand entspricht, den es zunächst aufwies, oder ob sich besonders rigide Täter freigekauft haben. Weiter ist unklar, ob das Material ausreicht, um die Kapitalerträge zu ermitteln bzw. zu schätzen und den einzelnen Jahren zuzuordnen. Wer Mandanten in diesem Bereich betreut, weiß ferner, wie zeitintensiv die Ermittlung der Kapitalerträge ist.

Unabhängig hiervon erscheint es mehr als fraglich, ob eine Verurteilung der Täter alleine aufgrund der Steuer-CD erfolgen würde. Zunächst stellt sich die Frage, ob diese CDs, deren Herkunft und Übermittlungswege meist ungeklärt sind, einem Verwertungsverbot unterliegen. Unabhängig hiervon lässt sich alleine anhand der Steuer-CD die für eine Verurteilung des Täters erforderliche Überzeugung des Gerichts von der „Wahrheit nach § 261 StPO" möglicherweise nicht erbringen. Die hier gespeicherten Daten stellen keine Urkunde dar, die – wie etwa Kontoauszüge - in einem Strafprozess verlesen werden könnten. Sie selbst erbringt nur den Beweis über die auf ihr gespeicherten Daten. Auch wenn eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass die gespeicherten Daten zutreffend sind (es sei denn, der Datendieb würde seinerseits z.B. zu Zwecke der Erpressung Daten auch noch manipulieren), erbringt die Steuer-CD selbst keinen Beweis dafür, dass diese Daten der Wahrheit entsprechen. 

Der Bundesverband der Steuerberater begrüßt ausdrücklich alle rechtsstaatlichen Aktivitäten, die zu einer Reduktion der Steuerhinterziehung beitragen. Dabei sollten allerdings nicht im Eifer des Gefechts rechtsstaatliche Grundsätze über den Haufen geworfen werden, deren Nichtbefolgung die Bundesrepublik Deutschland erfolgreiche Klagen vor dem europäischen Menschenrechtsgerichtshof aussetzt. Vielmehr gilt es trotz der allgemeinen Aufgeregtheit darum, die Balance zwischen der nur im Steuerrecht generell bestehenden Erklärungspflicht und dem Selbstbelastungsverbot nicht aus dem Auge zu verlieren und daran zu denken, dass der Staat mehr von (straffrei bleibenden) reuigen Steuerzahlern hat, als von weiterhin verstecktem Vermögen.

 

Berlin, den 28. April 2013

 

Bundesverband der Steuerberater e.V.
Uhlandstraße 97
10715 Berlin

 

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